Rede zum Neujahrsempfang der Stadt Idstein durch Herrn Bürgermeister Gerhard Krum am Freitag, dem 9. Januar 2009, 17.00 Uhr, Stadthalle Idstein

 
… vorab eine kleine musikalische Begrüßung
…. Dank an die Musiker
Daniela Wartenberg (Cello)
Julia Huber (Violine)
 
Es ist kalt in Deutschland, und es ist kalt in Idstein.

Ich hoffe, Sie haben die Wartezeit in der Schlange dennoch unbeschadet überstanden. Und vielleicht haben Sie während der Wartezeit im Foyer schon unsere "Gefährdete Schönheit" gesehen …
- Theateraufführung ca. 10 Minuten -
Nach dieser originellen Unterbrechung, für die ich mich bei dem in Idstein bestens bekannten und geschätzten Pegasustheater mit den Akteuren:
Doris Friedmann       Colombina und Dottore sowie
Bernhard Mohr           Pantalone
ebenfalls sehr herzlich bedanke, erlaube ich mir richtigzustellen, dass es sich bei der "Gefährdeten Schönheit" hier nicht um ein Frau, sondern eine Aktion zur Restaurierung der Deckengemälde im Residenzschloss handelt.
Sicher haben Sie im Foyer schon den Hinweis auf unsere diesjährige Neujahrsaustellung sowie den Kalender der Christopherus Apotheke zu der Grotestendecke im Kaisergemach gesehen.
Dort hat der Hausschwamm erhebliche Schäden verursacht und nicht nur umfangreiche bauliche Sanierungsarbeiten, sondern auch die Restaurierung dieses wertvollen Kunstwerks von Valentin David Albrecht erforderlich gemacht.
Der Rheingau-Taunus-Kreis ist mit der Gebäudesanierung befasst. Das Land Hessen hat dankenswerterweise eine Mitfinanzierung der ca. 150.000,00 Euro teuren Gemälderestaurierung in Höhe eines Drittels in Aussicht gestellt, wenn die verbleibenden Zweidrittel jeweils zur Hälfte von der Stadtverwaltung und der Stadtbevölkerung aufgebracht werden - ein Verfahren, dass sich bei der vorangegangenen Aktion "Gefährdete Schönheit" bereits gut bewährt hat.

Für ihr Engagement bei der Vorbereitung der neuerlichen Ausstellung und Aktion danke ich ganz besonders unserer langjährigen Stadtarchivarin Christel Lentz, Ihrem Gatten Heinrich Lentz sowie Herrn Ernst Huskamp von der besagten Christopherus Apotheke. Bitte belohnen Sie diesen Einsatz mit ihrem Besuch der Ausstellung und Ihrer Spende.

So. Jetzt darf ich Sie endlich noch einmal alle zusammen zum Neujahrsempfang 2009 der Stadt Idstein willkommen heißen, auch im Namen unseres Stadtverordnentenvorstehers, Herrn Christian Herfurth.
 
Gestatten Sie mir, dass ich einige Gäste namentlich begrüße:
Apfelweinkönigin Anke I
Apfelweinprinzessin Alisa I
Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch,
Herrn Staatssekretär Klaus-Peter Güttler vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr u. Landesentwicklung,
Landtagsabgeordneten Peter Beuth und dessen Mitbewerber bei der bevorstehenden Landtagswahl Marius Weiß,
Landrat Burkhard Albers und Kreisbeigeordnete des Rheingau-Taunus-Kreises
PP – Herrn Peter Frerichs und Herrn Holger Warnow
Bürgermeister des Idsteiner Landes,
Vertreter staatlicher Institutionen,
Damen und Herren Stadträte,
Damen und Herren Stadtverordnete,
Ehrenbürger Hermann Müller,
Herrn Dr. Hans-Peter Röther
Herrn Dr. Herbert Günther
Pressevertreter
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich hoffe, Sie haben das neue Jahr fröhlich und mit ehrgeizigen Vorsätzen begonnen. Für den weiteren Verlauf wünsche ich Ihnen jetzt auch von dieser Stelle aus noch einmal alles Gute: Gesundheit, Tatkraft, Erfolg und, nicht zuletzt, viel Glück.

Für die Stadtverwaltung war der Neujahrstag mit einer bösen Überraschung verbunden – das Rathaus hat gebrannt. Das war zuletzt im November 1947 der Fall. Damals hat der Bollerofen im Ständesaal, dem Magistratssitzungszimmer, das Feuer entfacht.
Diesmal war es ein Feuerwerkskörper, den bislang noch unbekannte "Silvesterhelden" in den Briefkasten neben der Eingangstür gesteckt haben.
Der Schaden wird vorläufig auf 50.000,00 bis 100.000,00 Euro beziffert, von den versteckten Schäden, von den Beeinträchtigungen der Verwaltungsgeschäfte und des Bürgerservices gar nicht zu reden.
Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit für den Einsatz bedanken: Bei Herrn Marius Schütz, der den Brand gemeldet hat, bei der Familie Marzolf, die gleich einen Feuerlöscher zur Verfügung gestellt hat, bei der Familie Scheibe, die die Feuerwehrleute früh morgens mit Kaffee versorgt hat, und natürlich bei unserer Feuerwehr, die schnell zur Stelle war und Schlimmeres verhütet hat.
Nun könnte man das Ganze ja einfach als einen Lausbubenstreich mit ungeahnten Folgen abtun. Aber so einfach geht das nicht. Der Feuerwerkskörper ist nämlich nicht nur unter Inkaufnahme eines größeren Schadens in den Briefkasten gesteckt worden, sondern er ist in den Briefkasten des Rathauses gesteckt worden. Und das Idsteiner Rathaus ist ein Gebäude von hohem historischen Wert.

Vor allem aber ist es ein Symbol für die Selbstverwaltung der Stadtgesellschaft, wo die Angelegenheiten der Bürgerinnen und Bürger, soweit sie im öffentlichen Interesse liegen, verhandelt werden.
Es ist ja Mode geworden, und ich füge hinzu: eine sehr schlechte, begründete Kritik an Fehlentwicklungen wie der Überbürokratisierung unseres Staatsapparates durch pauschale Verwaltungsschimpfe zu verblöden und sich in Politikverdrossenheit zu gefallen. Abgaben werden als "Abzocke", Maßnahmen zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit als "Drangsalierung", staatsbürgerliche Pflichten als Zumutung empfunden. Eine solche Haltung, meine Damen und Herren, zeugt von einem erschreckenden Mangel an Erziehung sowohl wie an Bildung!
Es ist ja richtig: Die Verwaltung ist kein Dienstleistungsunternehmen, bei dem man bestellen und einen Anspruch darauf geltend machen kann, weil man im Voraus bezahlt hat. Die Verwaltung hat es eben nicht mit Kunden, sondern mit Bürgern zu tun. Ihr "Geschäft" ist die Vermittlung, wenn Sie so wollen, der Ausgleich nicht kompatibler Einzelinteressen unter Anwendung des gesetzten Rechts. Bei dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, hört sich das so an:
"Die Individuen sind als Bürger dieses Staates Privatpersonen, welche ihr eigenes Interesse zu ihrem Zwecke haben.
Da dieser durch das Allgemeine vermittelt ist, das ihnen somit als Mittel erscheint, so kann er von Ihnen nur erreicht werden, insofern sie selbst ihr Wissen, Wollen und Tun auf allgemeine Weise bestimmen und sich zu einem Gliede der Kette dieses Zusammenhangs machen."

Das Zitat stammt aus der 1821 in Berlin veröffentlichten "Philosophie des Rechts".
Wem das jetzt eine Nummer zu groß erscheint, der sei daran erinnert, dass dieser, sagen wir: Bildungsprozess die Grundlage des modernen Rechts- und Verfassungsstaates darstellt und wir einen guten Grund haben, uns das gerade jetzt in Erinnerung zu rufen, denn in diesem Jahr, am 23. Mai 2009, begeht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seinen 60. Geburtstag. Mit dem Grundgesetz wurde die zweite Demokratie auf deutschen Boden begründet.
Auch an die erste deutsche Demokratie erinnert in diesem Jahr ein Jahrestag: am 19. Januar 1919, also vor 90 Jahren fanden die Wahlen zur Nationalversammlung der Weimarer Republik statt und am
11. August 1919 trat die von ihr beschlossene Reichsverfassung in Kraft. Die Weimarer Republik überdauerte nur 14 Jahre und fand bekanntlich mit der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 ein für unser Land und die ganze Welt folgenreiches Ende. Der brach nämlich nur sechs Jahre später den zweiten Weltkrieg vom Zaun, bei dem 40 Millionen Menschen das Leben verloren.
60 Jahre Bundesrepublik Deutschland bedeuten hingegen: 60 Jahre Leben in Freiheit, in Frieden und im wirtschaftlichen Wohlstand. Und das ist nicht nur ein guter Grund zum Feiern, sondern auch schon einen Beifall der Verbundenheit wert.
Die Demokratie war in Deutschland eine schwere Geburt. In Europa hatte die Französische Revolution von 1789 Einheit und Freiheit auf die Tagesordnung der Geschichte gesetzt.

Die "Bürgerbewegung", die in die 1848er Revolution mündete, hat auch in Idstein Spuren hinterlassen. Die Stadt galt damals als antiautoritäres Pflaster. So schrieb Fritz Geisthardt in dem 1987 vom Magistrat herausgegebenen Buch über Idsteins "Geschichte und Gegenwart":
"Das politische Misstrauen gegenüber Idstein kam zum ersten Mal im Jahre 1814 auf, als dort eine "Teutsche Gesellschaft" gegründet wurde. Es war die erste ihrer Art überhaupt (…).
Idstein geriet im Jahre 1849 wieder in das allgemeine Blickfeld, als die politischen Vereine die Durchführung eines Landeskongresses in dieser Stadt beschlossen(…).
Aus dem ganzen Land strömten am 10. Juni 1849 etwa 400 Deputierte in Idstein zusammen (…). Aus Idstein selbst nahm der Likörfabrikant Gustav Justi lebhaften Anteil an den Beratungen".
Auch das vergangene Jahr ist inzwischen Geschichte.
Aus dem Jahr 2008 verdienen einige wichtige Ereignisse ebenfalls, hier noch einmal besonders erwähnt zu werden. So konnten wir uns über den Baubeginn des lang ersehnten Tournesol-Bades freuen. Die Helios-Klinik konnte endlich den Betrieb aufnehmen. An der Hochschule Fresenius konnte das neue Hörsaalgebäude fertiggestellt werden. Die Südtangente konnte dem Verkehr übergeben werden. Mit der Südtangente konnte zugleich der Hochwasserschutz für die Kernstadt vollendet werden.
 
Auf dem ehemaligen "Opel-Gelände" in der Limburger Straße konnte die Neuordnung des Wohnquartiers Hahnstück/Altenhof durch die Kommunale Wohnungsbau GmbH in die Wege geleitet werden. Mit dem demnächst beginnenden Umbau des alten Hallenbades zu einer weiteren Sporthalle und dem in der Entstehung befindlichen Hochseilgarten konnten die Weichen für den Ausbau des Wolfsbachtals zu einem anspruchsvollen und weit und breit wohl ebenfalls beispiellosen Freizeit- und Erholungszentrum gestellt werden.
Mit der Firma Storck konnte ein weiteres innovatives Unternehmen in Idstein angesiedelt werden. Und für Jack Wolfskin konnten in Kooperation mit der Betreibergesellschaft des NassauCarree´s, Entwicklungsperspektiven am Standort Idstein geschaffen werden.
Alle diese Maßnahmen können als Fortsetzung eines Stadtentwicklungsprogramms bezeichnet werden, das wir seit nunmehr sechs Jahren systematisch umsetzen. Seine Schwerpunkte lassen sich stichwortartig wie folgt zusammenfassen:
  1. Wir haben insbesondere mit den beiden großen Baugebieten Taunus- und NassauViertel die Voraussetzungen für eine langfristige Siedlungsentwicklung geschaffen.
  2. Wir haben die verkehrliche Infrastruktur komplettiert und damit die Stadt als Wohn- und Wirtschaftsstandort attraktiviert.
  3. Innerhalb der neu definierten Siedlungsgrenzen haben wir einen Prozess der Urbanitätsentwicklung eingeleitet, um die Zugehörigkeit zum Rhein-Main-Gebiet und die Teilhabe an der Regionalentwicklung sicherzustellen.
  4. Wir haben durch den Ausbau und die strategische Vernetzung vorhandener Infrastruktureinrichtungen (Krankenhaus, Hochschule, Tournesolbad) die Voraussetzungen für eine regionalpolitisch affine Standortprofilierung geschaffen und damit zugleich eine weitere Verbesserung der Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt auf den Weg gebracht.
  5. Wir haben eine qualitative Diversifizierung des Wohnangebots betrieben, indem wir die 11 die Kernstadt umgebenden Stadtteile in ihrer dörflichen Struktur erhalten und den ländlichen Charakter des Wohnumfeldes bewahrt haben.
  6. Wir haben uns vorgenommen, das touristische Angebot substanziell weiterzuentwickeln und das Standortmarketing gemeinsam mit den in unterschiedlicher Weise beteiligten örtlichen Akteuren zu forcieren. Dabei spielt (natürlich!) die Innenstadtentwicklung mit ihren Versorgungsproblemen eine zentrale Rolle.
Warum haben wir diese und nicht andere Schwerpunkte in unsere Stadtentwicklungspolitik gesetzt?
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle haben die im verflossenen Jahr besonders intensiv diskutierte Problematik der demographischen Entwicklung in unserem Lande verfolgen können. Die absehbaren Konsequenzen lassen sich in den drei Stichworten, mit denen der Politikwissenschaftler Dr. Winfried Kösters sein im Jahr 2006 erschienenes Buch betitelt hat, zusammenfassen: Wir werden weniger, wir werden bunter, und wir werden älter.
 
Das hört sich zunächst eigentlich ganz harmlos an, hat aber eine ganze Reihe von unumkehrbaren Konsequenzen für fast alle Bereiche unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.
Deswegen haben es die Bundesregierung und auch die Hessische Landesregierung für richtig befunden, "Gegenstrategien" zu entwickeln: Um dem bereits spürbaren und sich in naher Zukunft dramatisierenden Fachkräftemangel in der Wirtschaft entgegen zu wirken, wurden bzw. werden Initiativen zur Förderung von Bildung und Innovation, zur Erleichterung der Vereinbarung von Familie und Beruf, zur Verstärkung der Bemühungen um Integration, zur Intensivierung des Miteinanders der Generationen, zur der Gesundheitsförderung, zur Sicherung der sozialen Versorgungssysteme und zur Übernahme mehr bürgerschaftlicher Selbstverantwortung ergriffen. Am Beispiel des Fachkräftemangels lässt sich die Problematik am besten verdeutlichen:
Erstens müssen die jungen Menschen künftig besser ausgebildet werden. Das Drama unserer Bildungspolitik ist, dass die Schulabgängerinnen und -gänger mit Wissen zwar vollgestopft worden sind, dieses Wissen aber weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich verwertbar ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass in den deutschen Großstädten bereits heute ca. Zweidrittel der schulpflichtigen Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund sind, das heißt, sie sind hier geboren in unserer Gesellschaft beheimatet, aber über das Elternhaus zugleich in einer anderen Kultur, Religion, Tradition verwurzelt. Deshalb war es wichtig und richtig, intensiver über die frühkindliche Bildung nachzudenken.

Deshalb ist es aber zweitens wichtig, die Anstrengungen im Bereich der Integration zu intensivieren – nicht nur der Sprachbarrieren wegen, sondern um des sozialen Friedens willen, um das, schiedliche und letztlich bereichernde Miteinander der Nationalitäten in unserer (unserer!) Gesellschaft zu gestalten und auf Dauer zu sichern.
Drittens werden mehr Frauen und zwar auf allen Ebenen der beruflichen Tätigkeiten benötigt werden. Das setzt voraus, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden kann - sei es durch vermehrte und flexiblere Betreuungsangebote, sei es durch Qualifizierungsangebote für den beruflichen Wiedereinstieg nach der Elternzeit, sei es durch Anpassung der rollenspezifischen Arbeitsteilung der Geschlechter an veränderte Familienverhältnisse, sei es durch ein stärkeres Aufeinanderzugehen der Generationen unter der Bedingung zunehmend segmentierter Familienstrukturen.
Viertens werden wir mobiler, flexibler und vor allem in Zukunft länger arbeiten müssen. Um länger arbeiten zu können, müssen wir fit
bleiben - in unseren körperlichen und in unseren geistigen Fähigkeiten. Das heißt wir sind gefordert, vielmehr selbst für unsere Gesundheit zu tun: zur Vermeidung altersbedingter Gebrechen, für einen selbstbestimmten Umgang mit gesundheitlichen Einschränkungen, die nicht vermeidbar waren bzw. sind.
Fünftens müssen wir uns aus all diesen Gründen viel mehr Gedanken um die Weiterbildung machen. Lebenslanges Lernen ist angesagt – sei es um den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern, sei es um mit dem sich ständig verschärfenden Tempo des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts mithalten zu können.

Die Stadt Idstein hat mit der Gründung der Seniorenakademie und der Familienakademie, mit dem über drei Jahre intensivst betriebenen Qualitätsprojekt in den Kinderbereuungseinrichtungen, mit ihren Initiativen zur Integration, zu denen nicht nur die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat, sondern auch der interreligiöse Dialog zwischen christlichen und islamischen Religionsgemeinschaften in Idstein sowie die Gründung einer Städtefreundschaft mit der türkischen Stadt Sile gehört, diesen Herausforderungen Rechnung getragen. In bin Herrn Ersten Stadtrat Dr. Herbert Koch sehr dankbar, dass er als Sozialdezernent alle diese Aktivitäten kompetent auf den Weg gebracht oder engagiert begleitet hat und zwar ehrenamtlich, was erstens nicht selbstverständlich ist und zweitens gar nicht ins eingangs erwähnte Bild der Politikverdrossenheit passt.
 
Meine Damen und Herren,
wir sind also ganz gut gewappnet für die zukünftigen Herausforderungen, die sich infolge der demographischen Entwicklung abzeichnen. Durch die Bereitstellung von Siedlungsflächen wird der Zuzug ermöglicht, der künftig hauptsächlich nur noch in zentralen Orten stattfindet. Wir sind dabei, unsere Versorgungsfunktionen als Mittelzentrum weiter auszubauen. Wir treffen Vorkehrungen gegen soziale Verwerfungen, die sich aufgrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen örtlich und auch hier wieder hauptsächlich in den zentralen Orten auswirken werden, beispielsweise die zu erwartende erhöhte Nachfrage an Sozialwohnungen bei Älteren, die aufgrund der Hartz-IV-Reformen durch Arbeitslosigkeit ihr Vermögen aufgezehrt haben und dann barrierefrei untergebracht werden müssen.

Wir sorgen für den Erhalt unseres öffentlichen Vermögens, z. B. durch die Errichtung eines Immobilienmanagements in der Stadtverwaltung, die umfangreichen Reparatur- und Erneuerungsmaßnahmen an den Leitungssystemen durch die Stadtwerke oder durch das Engagement in unseren Beteiligungskörperschaften (KWB, KBV, WBV, RTV).
Natürlich müssen alle diese Maßnahmen auch bezahlt werden können. Da trifft es sich gut, dass die Leitbilder unserer Stadtentwicklung zugleich zu den Zukunftsbranchen der Wirtschaft gerechnet werden. Das gilt insbesondere für die Bereiche Gesundheit und Tourismus. Wobei deren Koexistenz in Idstein durch die vorhandenen Schnittmengen genau das verspricht, was als Voraussetzung für den Erfolg betrachtet wird: Synergien.
Wir haben, meine Damen und Herren, also in den letzten Jahren vielleicht nicht alles, aber das Meiste richtig gemacht.
Als die Finanzkrise begann sich zu einer weltweiten Wirtschaftskrise auszuwachsen, haben die Regierungen und auch die Bundesregierung und die Hessische Landesregierung Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht, die genau das beinhalten, was wir seit Jahren in weiser Voraussicht tun: Investitionen in die Infrastruktur unserer Stadt!
Ich sage das nicht ohne eine gewisse Genugtuung und nicht ohne einen kritischen Unterton in Richtung Aufsichtsbehörden. Es ist schon bemerkenswert, dass beispielsweise der Hessische Finanzminister bei der Einbringung des 2008er Landeshaushaltes die Kommunen aufgerufen hat, ihre anderthalb Jahrzehnte andauernde Zurückhaltung bei der Investitionstätigkeit aufzugeben, während gleichzeitig der
Innenminister der selben Landesregierung einen Erlass auf den Weg bringt, der genau dieses verhindert hat, indem die Kreditaufnahme zusätzlichen Restriktionen unterworfen wurde.
Beharrlich ist von der Finanzpolitik ignoriert worden, dass die kommunalen Haushalte unterfinanziert sind und ihre Überschuldung in soweit strukturelle Ursachen hat. Die Parole "Gürtel enger schnallen" war daher nicht volkswirtschaftlichem Sachverstand, sondern der Feigheit geschuldet, diesen, den strukturellen Ursachen, z. B. durch eine Funktionalreform, konsequent zu Leibe zu rücken.
Vorgeschoben wurden stets betriebswirtschaftliche Argumente, die alles nur noch schlimmer gemacht haben. Das Defizit, das laut Idsteiner Haushalt dazu für das Jahr 2009 im Plan 4,8 Mio. Euro beträgt ist mindestens zur Hälfte der Umstellung auf ein unausgegorenes doppisches Buchführungssystem geschuldet.
Ich bin sehr froh, dass sich Herr Stadtrat Felix Hartmann bereit erklärt hat, die schwierige Aufgabe des Finanzdezernenten zu übernehmen - ehrenamtlich wie Herr Dr. Koch. Bei ihm sind die städtischen Finanzen in kompetenten und verantwortungsvollen Händen.
Wenn die als Reaktion auf die Finanzkrise sich abzeichnende Umsteuerung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht nur ein Zwischenspiel war, ist das immerhin ein Fortschritt.
Ein Fortschritt für die Kommunen, ein Fortschritt für unser Land, denn die Musik spielt bekanntlich vor Ort und der Tanz findet statt, wo die Musik spielt.

In einer Zeit technischer, wirtschaftlicher und politischer Veränderung, bleibt keine Zeit zuzuwarten. Der Niedergang vieler Kurstädte nach den Seehoferischen Gesundheitsreformen in den Neunzigern hat gezeigt was passieren kann, wenn man den "historischen Augenblick" verschläft: Niedergang eben. Auch Idstein hat eine solche Entwicklung schon einmal erleben müssen. Gottseidank ist das schon ein halbes Jahrhundert her, als die Schulen geschlossen und das Nassauische Zentralarchiv abgezogen wurden.
Mit umso größerer Besorgnis haben wir die Schuldiskussion verfolgt, die 2007 durch ein Gutachten im Auftrag des Schulträgers, des Rheingau-Taunus-Kreises, ausgelöst worden war. Der Vorschlag, aus der Stadt der Schulen die Haupt- und Realschule abzuziehen hätte, allen verständlichen Niedernhausener Gegenargumenten zum Trotz, eine Schwächung nicht nur Idsteins, sondern der gesamten Subregion "Idsteiner Land" zur Folge gehabt, weil – siehe demographische Entwicklung, aber auch nach allem was man aus der Regional- und Strukturwissenschaft weiß – es dabei nicht geblieben wäre. Vielmehr wäre ein Niedergang des Schulstandortes Idstein und in Ermangelung vorhandener Ersatzstandorte des gesamten Standortes Idsteiner Landes in Gang gesetzt worden.
Insofern hat der Kreistag nicht nur aus schulpolitischer Sicht, sondern auch unter dem Aspekt der Kreisentwicklung eine kluge Entscheidung getroffen, indem er sich das Ergebnis des Mediationsverfahrens zu Eigen gemacht hat.

Die Erhaltung der kompletten Schullandschaft in Verbindung mit der Schaffung eines zweiten Gymnasiums an der Limesschule eröffnet nunmehr (fast) alle Möglichkeiten, den Erfordernissen des vorhandenen Bildungsbedarfs Rechnung zu tragen - z. B. in Form eines zusätzlichen berufsorientierten Angebotes, z. B. in Form eines Wirtschaftsgymnasiums z. B. in Kooperation mit der Hochschule Fresenius. Und ich bin sicher, dass unser ehrenamtlicher Bildungsbeauftragter, Herr Hans-Jörg Bähr, das auch hinkriegt.
Dabei werden wir in Idstein aber auch die Haupt- und Realschülerinnen und -schüler weder vergessen noch im Regen stehen lassen. Deshalb hat die Stadt, auch wenn sie nicht originär zuständig ist, Initiativen zur Begründung eines internationalen Ausbildungsverbundes in einem noch relativ jungen touristischen Berufsbild sowie zur Schaffung eines bisher in Hessen noch nicht existierenden Ausbildungsberufes im Bereich der Energiewirtschaft ergriffen und Kontakte sowohl mit der zuständigen Ministerialbürokratie als auch mit möglichen Bildungsträgern zur Ergänzung der Schullandschaft durch ein entsprechendes Berufsschul- und Weiterbildungsangebot aufgenommen.
Ohne die Unterstützung der Schülerschaft, der Elternschaft, der Lehrerschaft und – in ihrem ureigensten Interesse – der Wirtschaft können und werden diese Vorhaben jedoch nicht in die Tat umgesetzt werden können.
Und damit meine Damen und Herren, bin ich wieder bei meinem kommunalen Korporatismus angelegt, die Übersetzung, wenn Sie so wollen, der Hegelschen Staatsphilosophie auf die kommunale Ebene unserer Stadtgesellschaft.

Da die meisten von Ihnen das aus den vergangenen Jahren ja alles schon kennen, brauche ich mich hier nicht zu wiederholen.
Aber Idstein ist nicht aus der Welt. Uns geht es gut. Und deshalb nehmen wir Anteil am Schicksal derer, denen dieses Glück nicht beschieden ist. Von den 7 Mrd. Menschen, die die Welt demnächst bevölkern, leidet fast 1 Mrd. an Hunger. Das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung hat im Jahr 2007 weltweit 328 Konflikte registriert, darunter 5 Kriege und 25 ernste Krisen mit manifester Gewalt. Rund um die Erde befinden sich heute 6 Mio. Menschen auf der Flucht. Ständig. Sie wissen nicht wohin und kommen nie zu Hause an.
 
Das ist unsere Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen: sie, soweit wir können, vor solch einem Schicksal zu bewahren.
Und deshalb schließe ich heute mit einem Gedicht von Peter Rosegger. Es heißt "Ein Guter Rat" und lautet:
Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit,
ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass,
ein bisschen mehr Wahrheit, das wäre was!
Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh,
statt immer ich ein bisschen mehr Du,
statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
und Kraft zum Handeln – das wäre gut.
Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht
kein quälend Verlangen, ein froher Verzicht -
und viel mehr Blumen, solange es geht,
nicht erst auf Gräbern, da blüh`n sie zu spät.

Mögen alle diese Ratschläge beherzigt werden.
Alles Gute zum neuen Jahr!