Idstein: Einkaufsstadt ohne Nahversorgung?

Idstein hat viele Lebensmittelgeschäfte im Stadtgebiet: Die "Discounter" ALDI, LIDL, NORMA, PENNY und PLUS die "Filialisten" HIT, REWE (zweifach) und bald auch EDEKA; daneben gibt es zum Glück immer noch "Tante Emma-Läden" wie z.B. die beiden türkischen Lebensmittelgeschäfte und den "Grünkern", aber auch Bäckereien, Metzgereien sowie Obst- und Gemüsegeschäfte. Und es gibt den Wochenmarkt in der Innenstadt (der allerdings besser werden muss!).
 
Idstein: Einkaufsstadt ohne Nahversorgung?Gerade ältere Menschen beklagen, dass es bald keinen "Vollversorger" mehr in der Idsteiner Innenstadt gibt. REWE hat HL aus seinem Portfolio gestrichen und das Geschäft in der Straße Am Hexenturm ins NassauCarré verlagert. Der Tengelmann-Markt in der Schützenhausstraße wurde ersatzlos geschlossen. NORMA und PLUS bleiben zwar in der Wiesbadener Straße, ziehen aber ein Stück weiter an den Rand der Kernstadt.
 

Warum ist das so?

 
Diese Entwicklung  ist nicht erfreulich, denn die Stadt hat natürlich ein Interesse an der Erhaltung der Nahversorgung, zumal die Lebensmittelgeschäfte gleichzeitig als "Magneten" für den übrigen Einzelhandel gelten, der wiederum eine wichtige Rolle für die Lebendigkeit unserer Innenstadt spielt. Dass es dennoch so gekommen ist, hat mehrere Gründe:

  • Der Lebensmittelhandel ist ein hart umkämpfter Markt. Der z.T. erbittert geführte Kampf um Marktanteile hat einen Strukturwandel in Gang gesetzt, der noch längst nicht abgeschlossen und vor allem durch Konzentration gekennzeichnet ist (und zwar sowohl der Unternehmen als auch der Standorte).
  • In der Lebensmittelbranche wird mit Gewinnspannen von plus/minus einem Prozent gerechnet , d.h. es muss ein hoher Warenumschlag erreicht werden.
  • Wegen der hohen Transportkosten muss Zeit gespart werden, die beim Anfahren von Innenstadtstandorten verloren geht.
  • Das Kundenverhalten hat sich geändert. Wir alle (auch viele ältere und alte Menschen!) sind mobiler als früher und erwarten nicht nur ein möglichst breitgefächertes Warenangebot, sondern auch ein bequemes Einkaufserlebnis (gute Erreichbarkeit und ebenerdige Parkplätze). Beim Nahversorger um die Ecke wird meist nur eingeholt, was es woanders nicht gab, was beim Großeinkauf vergessen wurde oder  zwischendurch 'mal eben schnell benötigt wird. 
  • Andererseits stehen gerade in den Innenstädten entsprechend große Verkaufsflächen und hinreichend große ebenerdige Parkflächen in der Regel gar nicht zur Verfügung (Die mindestens geforderte Grundstücksgröße beträgt heute 5 000 qm). Zudem sind die Mieten in diesen sogenannten 1 A-Lagen (zu) hoch. Da sich die Gebäude in Privateigentum befinden, hat die Stadt kaum Einflussmöglichkeiten.

 
Warum werden Einzelhandelsflächen außerhalb der sogenannten Innenstadt zur Verfügung gestellt?
 
Idstein ist in der Regionalplanung als Mittelzentrum ausgewiesen und hat als solches Versorgungsfunktionen für das Umland wahrzunehmen. Großflächiger Einzelhandel soll demnach auch nur in Mittelzentren zugelassen werden. Das Problem ist nur, dass sich die beim Regierungspräsidium in Darmstadt angesiedelte Regionalplanung an diese eigene Vorgabe nicht hält und munter große Lebensmittelmärkte inklusive Fachmarktzentren rundherum genehmigt. Die Folge ist, dass Idstein als "Einkaufsstadt" selbst in einem hart umkämpften Standortbewerb steht.
 
Im Klartext: Wenn wir keine Flächen bereitstellen können, gehen die Märkte und mit ihnen die Kunden (Mobilität, s.o.) halt ein paar Kilometer weiter, nach Bad Camberg, nach Taunusstein-Neuhof oder neuerdings auch nach Niedernhausen oder Hünstetten. Wenn wir aber an Attraktivität als Einkaufsstadt einbüßen, nimmt die Kundenbindung wieder ab und die Wirtschaftskraft sinkt. Und unter einer solchen Entwicklung würden der gesamte Einzelhandel und die gesamte Innenstadt leiden. Mit der üblichen Empfehlung, doch keine randständigen Standorte zuzulassen, ist unserer Stadt (und der Bevölkerung!) daher am wenigsten geholfen.
 
Hinzu kommt, dass die Stadt über Grundstücke und Gebäude, die den heutigen Anforderungen entsprechend umgebaut werden könnten, selbst nicht verfügt und die Eigentümer entweder nicht bereit oder nicht in der Lage sind, entsprechende Investitionen vorzunehmen bzw. ihre Immobilien zu veräußern.
 

Was kann die Stadt tun und was tut sie?

 
Die Stadt hat die Situation frühzeitig erkannt und Maßnahmen ergriffen, um die Nahversorgung für die Stadtviertel auch in Zukunft sicher zu stellen.

Der HIT-Markt in der Wiesbadener Straße ist zumindest nah am Stadtzentrum und den angrenzenden Straßenzügen, gleiches gilt für das NassauCarré, das, ergänzt durch LIDL, zugleich das nördliche Gebiet der Kernstadt versorgt.

Neben HIT sind der neue NORMA-Markt auf der Kappus-Anlage und der PLUS-Markt auf dem ehemaligen Geldmacher-Gelände für die Bevölkerung in Idstein-West relativ wohnortnah und ebenso gut erreichbar wie ALDI auf der anderen Seite.

Das NassauViertel hat mit dem EDEKA-Markt, der auch eine über die Stadtgrenzen hinausreichende Versorgungsfunktion erfüllt, sowie dem NassauCarré "seine" Nahversorgung.

Für den Idsteiner Osten und Süden sowie die südliche Innenstadt sind Verhandlungen über Ersatzstandorte bzw. Nachfolgenutzungen für die verwaisten Standorte im Gange. Dazu wurde u.a.

  • eine Machbarkeitsstudie für den Umbau des ehemaligen HL-Marktes vom städtischen Bauamt entwickelt. Sie sieht eine Erweiterung der Verkaufsfläche um das jetzige untere Hexenturmparkdeck vor. Die wegfallenden Parkplätze können auf dem Flachdach des HL-Gebäudes auf einer Ebene mit dem oberen Hexenturmparkdeck geschaffen werden. Um eine Beeinträchtigung der gegenüberliegenden Wohnanlage zu vermeiden, wird eine Aufstockung entlang der Straßenfront Am Hexenturm vorgeschlagen. Gespräche mit dem Hauseigentümer werden z.Zt. ebenso geführt wie mit einem interessierten Projektentwickler und Investor.
  • Als Alternative zu dem Tengelmann-Markt in der Schützenhausstraße ist der heutige Kindergarten-Standort Escher Straße angedacht. Die Kindertagesstätte wird 2008 ins TaunusViertel verlagert werden. Die freiwerdende Fläche wäre als Standort für einen größeren Lebensmittelmarkt geeignet. In Erweiterung des vorhandenen Parkplatzes könnten auf zwei Ebenen insgesamt genügend Parkplätze geschaffen werden, um während der Nachtstunden gleichzeitig Anwohnerparken für die angrenzenden Altstadtbezirke zu ermöglichen. Auch hierzu wurde eine Machbarkeitsstudie vom städtischen Bauamt erarbeitet und Gespräche mit Projektentwicklern und potenziellen Betreibern aufgenommen. Damit wäre auch für die Wohngebiete Gänsberg/Füllenschlag eine einigermaßen nahe und gut erreichbare Versorgung sichergestellt, denn im unmittelbaren Bereich dieser Siedlungsagglomeration ist kein zusätzlicher Einzelhandelsstandort zu den Gänsbergläden in Sicht.
  • Darüber hinaus ist im Bebauungsplan für das TaunusViertel eine allerdings sehr knapp bemessene Einzelhandelsfläche ausgewiesen. Z.Zt. werden auch hier Gespräche mit möglichen Betreibern und dem Eigentümer geführt.


Zur Zukunft der Innenstadt

 
Eine lebendige Innenstadt ist das Herz einer Stadt. Je mehr große Lebensmittelmärkte ihre Standorte an den Stadtrand verlagern, um so größer ist auch die Gefahr einer schleichenden "Verödung" des Stadtzentrums. Denn die sogenannten Vollversorger sind "Magneten", die Kunden anziehen, den Einzelhandel und damit die Stadt insgesamt beleben.

Dazu brauchen wir viele und noch mehr "Innenstadtnutzer/-innen". Solche "Nutzer/-Innen" sind die Menschen, die im oder nahe dem Stadtzentrum wohnen, dort arbeiten, zur Schule gehen, an der Hochschule studieren und die unsere Stadt besuchen. Deshalb bemühen wir uns um entsprechende Ansiedlungen und die nötigen Anpassungen der Infrastruktur, deshalb haben wir unsere Bemühungen um eine Ausweitung des Veranstaltungsangebotes und des Tourismus intensiviert, und deshalb suchen wir gemeinsam mit den Idsteiner Geschäftsleuten nach (auch anderen, neuen) Möglichkeiten zur Attraktivierung der Innenstadt als "Einkaufszone".

Dabei haben wir die Idee eines Idsteiner Bürgers aufgegriffen. Er hat sie "Idstein Village" genannt: Die höherwertige Variante von "Factory Outlets" (Fabrikverkauf)  sind "Designer Outletcenter". Solche Zentren werden fast immer "auf der grünen Wiese" gebaut (z.B. Wertheim) und dabei Innenstadtstrukturen nachgebildet. Was dort zu imitieren versucht wird, ist in Idstein in gewachsener, kompakter Form und dazu echt und schön vorhanden. Warum also unsere Innenstadt mit ihren 50 Geschäften und in Zusammenarbeit mit den ansässigen Einzelhändlern nicht als Designer Outletcenter nutzen?

Diese Frage wird z.Zt. mit den in unserer Werbegemeinschaft "idstein aktiv" und dem Verein "Idsteincard" zusammengeschlossenen Geschäftsleuten diskutiert. Gleichzeitig haben wir die Suche nach einem potenziellen Partner aus der "Outlet-Szene" eingeleitet.

Ob dieser Weg gangbar ist, wird sich zeigen müssen. Klar ist: Alle wollen unsere Innenstadt in ihrer Lebendigkeit und Vielfalt erhalten, deshalb aber auch weiterentwickeln. Und gemeinsam schaffen wir das auch!