Idstein und die Rhein-Main-Region
Thesen zur Stadtentwicklung unter besonderer Berücksichtigung
strukturpolitischer und regionalplanerischer Vorgaben
Idstein ist nicht der Nabel der Welt. Aber Idstein ist eine Stadt mit Zukunftsperspektiven. Auf die Frage, worin diese Zukunftsperspektiven bestehen, kann man aus Politik und Wirtschaft immer wieder hören: "Unsere Zukunft liegt in der Rhein-Main-Region". Gestützt wird diese Aussage nicht zuletzt durch die EU-Strukturpolitik, die auf regionale Schwerpunktbildung setzt ("Europa der Regionen") und die Rhein-Main-Region zählt immerhin zu den europäischen Metropolregionen.
Die "Region" ist keine EU-Erfindung. Eine Region ist auch mehr als ein räumlich abgegrenztes Gebiet. Es handelt sich vielmehr um ein Gebilde, das aus einer Vielzahl von strukturellen Verpflechtungen (Kultur, Wirtschaft, Verkehr, Siedlungsentwicklung; Naturräumlichkeit, etc.) besteht. Die Diskussion um die Stärkung regionaler Strukturen ist daher, gerade in der Region Frankfurt/ Rhein-Main, schon sehr viel älter. Sie wurde aber zu Beginn der 90iger-Jahre des vorigen Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Öffnung der Grenzen innerhalb der EU, der möglich gewordenen Einheit ganz Europas durch den Zusammenbruch des "Eisernen Vorhangs", durch die (damals noch erst in Aussicht genommene) europäische Währungseinheit, durch die beginnende vierte Phase der Industriellen Revolution, die Globalisierung u. a. mit Dringlichkeitsvermerk aktualisiert.
Für den faktisch damals schon in Gang befindlichen Wettbewerb der Regionen galt (und gilt) die Rhein-Main-Region aufgrund ihrer geographischen Lage (in der Mitte Europas, aber auch innerhalb des "Lotharingie" genannten Entwicklungsverbandes, das sich von Südengland über die Benelux-Länder bis nach Norditalien erstreckt) gut gerüstet. "Die Zukunftsaufgabe", schrieb Albert Speer in einem der damals in Auftrag gegebenen Gutachten (z. B. Albert Speer & Partner GmbH, "Zielvorstellungen für die Gestaltung des engeren Verdichtungsraumes Rhein-Main" oder Prof. Dr. Hans Kistenmacher u. a., "Überprüfung des raumordnerischen Instrumentariums für die Raumordnungs- und Entwicklungsplanung des Landes Hessen"), bestehe darin, "die Region in ihrer Gesamtheit zu einer funktionierenden Metropolregion zu entwickeln". Dafür gelte es, "regionsspezifische Aufgabenstellungen anzugehen und bei Problemlösungen in den Dimensionen der Region zu denken."
Sowohl bei Speer als auch bei Kistenmacher reicht die Rhein-Main-Region auf der Ost-West-Achse von Mainz bis Aschaffenburg und auf der Nord-Süd-Achse von Butzbach bis Darmstadt. Die polyzentrale Struktur der Gesamtregion ermöglicht, so Speer, nicht nur die "Beibehaltung und Entwicklung sich ergänzender Städtefunktionen", sondern auch "eine funktionale Arbeitsteilung in der Region, wodurch die jeweiligen Standorteigenschaften im Rahmen eines Funktionsverbundes optimal genutzt werden können."
Im Sommer 1991 trafen sich die Oberbürgermeister der Städte Darmstadt, Frankfurt/Main, Mainz, Offenbach am Main und Wiesbaden sowie der Verbandsdirektor des Umlandverbandes Frankfurt/Main und unterzeichneten eine "Rhein-Main-Erklärung". "Sie ist", heißt es darin, "als Initialzündung zu verstehen für eine umfassende Kooperation der Städte, Gemeinden und Landkreise. Diese Erklärung richtet sich deshalb auch an die Bürgermeister und Landräte, mit denen wir den Dialog über unsere gemeinsame regionale Zukunft führen wollen".
Es ist zu Recht kritisiert worden, dass seither viel zu wenig geschehen ist, um die Region zu "formieren". Richtig ist aber auch, dass mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), dem Regionalpark Rhein-Main, dem Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main (vormals Umlandverband), der Wirtschaftsinitiative Metropolitana FrankfurtRheinMain e. V., oder der Regionalkonferenz Frankfurt/Rhein-Main, Fortschritte in der kommunalen Zusammenarbeit und der Organisation in der Region erzielt worden sind.
Mit dem "Gesetz zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit und Planung in der Region Rhein-Main" (Ballungsraumgesetz) hat der Gesetzgeber darüber hinaus den Druck auf die Kommunen zur regionalen Kooperation deutlich verstärkt (2000 ff). Es stellt eine Aufforderung an "alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Hessen und insbesondere im Rhein-Main-Gebiet (dar), sich den jetzt beginnenden Gesprächen über die Erfüllung des Ballungsraumgesetzes mit Leben anzuschließen", so Ministerpräsident Roland Koch in seiner Regierungserklärung nach der Bestätigung des Gesetzes durch den Hessischen Staatsgerichtshof. "Die Pflicht besteht darin, Konzepte zu entwickeln, wie die vom Gesetzgeber vorgegebenen gemeinschaftlichen Aufgaben auch gemeinschaftlich angegangen werden können" (Ministerpräsident Roland Koch, ebd.).
Damit ist klar, dass es ein Hauptziel der Stadtentwicklungspolitik in Idstein sein muss, die Rolle der Stadt in Bezug auf die Rhein-Main-Region zu bestimmen und sie in der Region entsprechend zu platzieren.
Rechtliche Rahmenbedingungen und gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, an denen sich die Stadtentwicklung und auch die "Regionalentwicklung" im "Idsteiner Land" zu orientieren hat, sind auf Bundesebene im Raumordnungsgesetz (ROG), das die Länder verpflichtet, für ihr Gebiet übergeordnete und zusammenfassende Pläne (Raumordnungspläne) aufzustellen und auf Landesebene gemäß § 4 des Hessischen Landesplanungsgesetzes (HLPG) im Landesentwicklungsplan Hessen 2000 (LEP), der damit im hessischen Planungssystem das wichtigste Steuerungsinstrument für die Landespolitik darstellt, niederlegt.
Angesichts der vom HLPG vorgegebenen Stärkung der Regionen liegt die Bedeutung des LEP bei der Festlegung der großräumigen Ordnung und Entwicklung des Landes und der hierfür erforderlichen landespolitischen Vorgaben.
Diese Vorgaben sind von den Behörden des Bundes, des Landes und von der Regionalplanung zu beachten und sind einer Abwägung ausdrücklich nicht mehr zugänglich.
Für die Mehrzahl der mit Zielqualität versehenen Festlegungen gilt allerdings, "dass sie räumlich noch nicht abschließend bestimmt sind, sondern erst im Rahmen der Regionalplanung räumlich bestimmt werden. Das heißt auch, dass die Bauleitpläne der Kommunen nur den in den Regionalplänen konkretisierten Zielen der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) anzupassen sind" (LEP).
Inhaltliche Vorgaben
In den rechtlichen Grundlagen werden mit gesetzlicher oder ähnlich bindender Wirkung Zuständigkeiten für die Aufstellung und Genehmigung von Plänen sowie den Vollzug von Planungen festgelegt. Es werden aber vor allem inhaltliche Vorgaben gemacht, die die Spielräume bis in die Selbstverwaltungskompetenz der Kommunen hinein einschränken - nicht mehr, als nach Auffassung der gesetzgebenden Organe nötig, bzgl. Raumstruktur und Raumordnung aber doch deutlich. Allen diesbezüglichen Konzepten, angefangen von EUREK (dem europäischen Raumentwicklungskonzept) über den Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen (ORA) als Positionsbestimmung der räumlichen Entwicklung des Bundesgebietes und die auf Länderebene in ihren Grundzügen abgestimmte Entwicklungsplanung bis hin zu den regionalen Raumordnungsplänen bzw. Regionalplänen, liegen als Ordnungsprinzip Strukturräume (Raumstruktur) zugrunde, denen für die räumliche Entwicklung bedeutsame Funktionen zugeordnet werden:
Die drei Grundtypen (ROG, ORA) sind der Zentralraum (zusammenhängende städtische Siedlungsgebiete), der Peripherraum (dünn besiedelte, ländlich geprägte Gebiete) und der Zwischenraum (erweitertes Umland der Zentralräume). Als wichtigste Unterscheidungsmerkmale gelten die Zentrenerreichbarkeit und die Bevölkerungsdichte.
Auf Länderebene werden Raumkategorien gebildet, die in den Regionalplänen ihren Niederschlag finden. Die Raumkategorien (Ordnungsraum, Verdichtungsraum, ländlicher Raum) ergeben sich aus dem interdependenten Konzept der zentralen Orte und der zentralen Achsen (meist Verkehrsachsen). Diese normative "Steuerungsphilosophie" wird durch die Bereiche der Infrastrukturentwicklung und der Daseinsvorsorge (Raum- und Siedlungsstruktur, Freiraumsicherung und -entwicklung, Land- und Forstwirtschaft, Verkehr, etc.) regionsbezogen "durchdekliniert".
Der Rheingau-Taunus-Kreis ist im LEP als "Ordnungsraum" ausgewiesen, Idstein als "Mittelzentrum". In der Hierarchie der zentralen Orte rangieren die Mittelzentren hinter den Oberzentren und den Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums und vor den Grundzentren (Unter- und Kleinzentren). Im LEP werden sie folgendermaßen charakterisiert: Sie sind Standorte für gehobene Einrichtungen in wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Bereich sowie für weitere private Dienstleistungen. Sie sind Verknüpfungspunkte der öffentlichen Nahverkehrsbedienung.
Mittelzentren sollen im Kernbereich mindestens 7.000, im Einzugsgebiet 40.000 Einwohner haben. Sie weisen sich durch folgende Infrastruktur aus:
"Kultur und Bildung: studienqualifizierende Bildungsgänge, berufsqualifizierende Bildungsgänge, sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren, öffentliche Bibliothek mit hauptberuflicher Leitung, regionalbedeutsames Museum.
Soziales und Sport: Krankenhaus der Zentral-/Regional-/Grundversorgung, umfassende Facharztversorgung, soziale Beratungsstellen, Frauenhaus, regionalbedeutsame Sportstätten.
Verkehr: Haltepunkt im schienengebundenen Regionalverkehr mit Verknüpfungen zum straßengebundenen ÖPNV Stadtbussystem.
Verwaltung und Gerichte: Behörden der unteren Verwaltungsebene, Gerichte der unteren Instanz".
Außerdem sollen sie von den im Mittelbereich wohnenden Einwohnern bei mehrfachen Hin- und Rückfahrgelegenheiten innerhalb einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein.
Die weitere Siedlungsentwicklung soll vorrangig in Städten und Gemeinden im Verlauf der Achsen stattfinden. Dabei kommt den Regionalachsen die besondere Bedeutung zu, den Leistungsaustausch zwischen den Mittelzentren sowie deren Anbindung an die Oberzentren und das überregionale Fernverkehrsnetz auch Regionsgrenzen überschreitend zu gewährleisten. Die dazu notwendige Verkehrsinfrastruktur und das verkehrliche Leistungsangebot entlang der Achsen sollen erhalten, ausgebaut oder geschaffen werden.
Als Regionalachsen werden ausgewiesen:
Schiene
- Frankfurt - Idstein - (Limburg)
Als überörtliche Nahverkehrs- und Siedlungsachsen werden ausgewiesen:
- Frankfurt - Niederhausen - Idstein
- Wiesbaden - Niedernhausen - Idstein - (Limburg)
Bundesautobahnen
- A 3 (incl. Ausbau Anschlussstelle Idstein)
Bundesstraßen
- B 275 (incl. OU Idstein-Eschenhahn)
- L 3026 (incl. OU Idstein-Wörsdorf)
Idstein ist somit in der Raum- und Regional- (entwicklungs) planung sehr gut positioniert. Der Bezug zur Rhein-Main-Region ergibt sich aus der Zugehörigkeit der Stadt zu einem Ordnungsraum, der direkt an den von der Regionalplanung (und im LEP sowie dem Ballungsraumgesetz) definierten Verdichtungsraum Frankfurt-Rhein/Main liegt, wobei Frankfurt eine hervorgehobene Funktion als Oberzentrum und Standort mit eurozentraler Bedeutung zukommt.